Denkmalschutz
Kathedralen der Industriekultur Das Pionierwerk der Chemischen Fabrik Uetikon CFU
Die Chemische Fabrik Uetikon ist eine einmalige Anlage
Die industrielle Herstellung von Soda, Chlor, Schwefelsäure und anderen Chemikalien verbilligte im 19.Jahrhundert Massenprodukte wie Seife, Glas, Papier, farbige Textilien, Dünger oder Arzneien. Die chemische Industrie wurde so zu einer Schlüsselbranche der industriellen Revolution. Die Schweiz verfügte am Rhein über gute Salz- und Kalivorkommen und am Zürichsee über Braunkohlevorräte und günstige Transportmöglichkeiten. Insbesondere die starke schweizerische Textilindustrie wirkte als Motor für den Aufbau einer international frühen chemischen Industrie. Die erste grosse chemische Industrieanlage entwickelte sich durch das ganze 19.Jahrhundert hindurch in Uetikon – lange bevor die später führende chemische Industrie in Deutschland und im Raume Basel ab Ende des 19.Jahrhunderts zur Hochblüte gelangte. In diesem historischen Rahmen erhalten die baulichen Zeugen der CFU einen besonders hohen Stellenwert. Es handelt sich nicht allein um wertvolle Bausubstanz aus den Jahren 1818, 1854, 1863 und 1871 bis 1914. Es ist insbesondere ein einzigartiges Fabrik-Villa-Arbeiterhaus-Ensemble mit eigenem Hafen erhalten geblieben.
In Uetikon wurde Industriegeschichte geschrieben
Fährt man von Zürich her kommend der «Goldküste» entlang Richtung Rapperswil, so durchquert man auf halbem Weg unvermittelt ein ausgedehntes Industrieareal. Die monumentalen Fabrikbauten sind für diese Gegend untypisch und erinnern ans Ruhrgebiet oder an englische Industriestädte des vorletzten Jahrhunderts. Vom Wasser aus ist diese letzte bedeutende Grossindustrieanlage der Region als prägende Zäsur im Landschaftsbild von Weitem sichtbar und hebt das Dorf von der zersiedelten Agglomeration ab. Die technik- und architekturgeschichtliche Bedeutung dieses fast vollständig erhaltenen Ensembles aus Fabriken, Villen und Arbeiterhäusern ist einmalig und geht weit über die Landesgrenzen hinaus. Hinzu kommt der wirtschaftshistorische Zeugenwert der in der Schweiz einzigartigen Anlage eines Leblanc-Werkes.
Frühe Industrialisierung am Seebecken
Das rechte Zürichseeufer gehört zu den Gebieten der frühesten Industrialisierung in der Schweiz und weltweit. Einige der ersten mechanischen Spinnereien entstanden in Stäfa, Hombrechtikon, Männedorf, Meilen, Küsnacht noch vor der Epoche der industriellen Revolution. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich das linke Seeufer um Thalwil, Wädenswil und Richterswil zum Seidenzentrum der Schweiz. Leider wurde dessen historische Substanz in den vergangenen Jahren stark dezimiert.
Am Anfang stand ein «Chemisches Laboratorium»
Die Uetiker Chemie-Fabrik hat ihren Ursprung in einem bescheidenen «Chemischen Laboratorium» das von Johann Rudolf Rusterholz (1773-1836) um 1812 herum im «Langen Baum» eingerichtet wurde und das er zielstrebig zu einer Bleicherei und Säurefabrik ausbaute. Er legte damit den Grundstein zu einer der ersten Grossanlagen des aufkommenden Industriezeitalters in der der Schweiz. Später wurde die Fabrik von den geschäftstüchtigen Gebrüdern Schnorf übernommen, die daraus einen der bedeutendsten Schwefelsäureproduzenten des europäischen Kontinents entwickelten. Für die Gemeinde Uetikon war die Fabrik während langer Zeit bedeutendster Arbeitgeber und Steuerzahler. Ihre Vertreter beeinflussten die Geschicke des Dorfes als Mäzene und Mitglieder der Behördenüber fast zwei Jahrhunderte. Aus denkmalpflegerischer Sicht besteht das Industrie-Ensemble aus einer Reihe wahrer Perlen der Industrie- und Architekturgeschichte. Im Zentrum des Interesses steht ohne Zweifel das in den Jahren 1863 bis 1871 entstandene Pionierwerk. Von vergleichbarer Bedeutung sind auch der Gründerbau von 1818, mehrere Villen, Arbeiterhäuser und das rechteckige Hafenbecken, über welches vor dem Bau der Bahn die Warentransporte abgewickelt wurden. Quelle: Hans Peter Bärtschi, Gutachten Chemische Fabrik Uetikon 1989